Pflanzen in der Landwirtschaft

Pflanzen in der Landwirtschaft

Ethik und Überlegungen zum Recht haben in den letzten Jahrzehnten den Umgang mit nichtmenschlichen Lebewesen hinterfragt. Wenn wir uns »weigern, Kälber zu essen, nicht aber Spinat« oder »den Fang von Delphinen, nicht aber von Heringen verbieten«[1], so ist das ein Zeichen dafür, dass sich Grenzen zwar etwas verschoben haben, aber nach wie vor bestehen. Sie werden nur anders gezogen: anhand von Kriterien wie Bewusstsein oder Leidensfähigkeit. Kälber und Delphine haben Glück; sie sind jetzt »drinnen«, Spinat und Hering »draußen«. Pflanzen schneiden als aus menschlicher Sicht unbeseelte nichtmenschliche Lebenwesen dabei generell schlecht ab.
Das stellte bereits Béla Hamvas (1897–1968) fest und schrieb beim Blick auf Gärten und Felder im Frühjahr:
»Ich kenne keinen einzigen Landwirt, der die Pflanze nicht als ein Objekt ansehen würde, das ihm zur Ausbeutung überlassen wird, und demzufolge unternimmt er auch alles, um sie auszubeuten. Er ist weiß Gott nicht besser als irgendein Kapitalist. Die meisten Gärten sind nichts anderes als Zwangsarbeiterlager. Und der Landwirt hat ein schlechtes Gewissen.«[2]
Aber auch Pflanzen gegenüber ist ein anderes Verhalten denkbar. In seinem die drei Bereiche des Lebendigen reflektierenden Essay über die »Domestizierung der Tiere, Kultivierung der Pflanzen und Behandlung der anderen«[3] stellte Henri-Georges Haudricourt 1962 zwei Pole für das menschliche Verhalten auf. Zum einen eine analog zur Schafzucht, ausgehend vom Mittelmeerraum verbreitete Haltung. Ihr zufolge besteht auch »die Behandlung des Getreides in Europa … in einer Reihe von Zwangsverrichtungen, die den Pflanzen kollektiv gelten«. Zum anderen der individualisierte Umgang, wie dies z.B. in Melanesien geschieht, bei der »›ehrfurchtsvollen Freundschaft‹, die jeder Jamswurzel zuteil wird«.[4]
Was das schlechte Gewissen bei extraktiven Praktiken anbelangt, so bilden Opfer einen Ausgleich.
In Bulgarien wird am 14. Februar der Tag des Heiligen Trifon Zarezan gefeiert. Trifon, oder Tryphon, ein frühchristlicher Märtyrer, ist der Patron der Gärtner und Winzer. In seinem Namen wird jedes Jahr im Februar das alte Fest der Weinbauern begangen. Die Frauen kochen und sie backen Ritualbrot, gemeinsam geht man auf die Weinfelder, schneidet die Rebstöcke und begießt sie mit Wein, damit die Lese im Herbst gut ausfalle.
Wir haben am 22. Februar 2014 im brandenburgischen Baruth/Mark zusammen mit Freunden und Leuten aus der Gegend die Reben geschnitten. Danach haben wir einen Wein vom Baruther Mühlenberg[5] als Opfer dargebracht.

[1] Philippe Descola, Jenseits von Kultur und Natur, aus dem Französischen von Eva Moldenhauer, Berlin 2011, S. 138.
[2] Béla Hamvas, Silentium, hg. von Gerhard Wehr, aus dem Ungarischen von Jörg Buschmann, Grafing bei München 1999, S. 19.
[3] André-Georges Haudricourt, »Domestication des animaux, culture des plantes et traitement d’autrui«, in: L’Homme, 2, 1, 1962, S. 40–50, online unter http://www.persee.fr/web/revues/home/prescript/article/hom_0439-4216_1962_num_2_1_366448 (20.1.2014).
[4] Descola 2011 (wie Anm. 1), S. 167.
[5] Der Weinberg wird betrieben vom I-KU e.V.