Le Bleu des plantes

Le Bleu des plantes

Le Bleu des plantes

Wenn die Flüssigkeit in den großen Bottichen mit dem Sauerstoff in Berührung kommt, bildet sich auf ihrer Oberfläche der charakteristische Schaum, die sogenannte Blume – Zeichen für die Reaktionsfreudigkeit der Indigobrühe. Dem vorausgegangen ist ein längerer Prozess: vom Anbau der zweijährigen Pflanze mit dem botanischen Namen Indigofera tinctoria über das Sammeln, Zerstoßen und Trocknen der Blätter bis zum Ansetzen eines alkalischen Suds, der eine gewisse Wärme erfordert, um nach einigen Tagen zu fermentieren. Dorthinein werden die zu färbenden feuchten Textilien getaucht, mehrfach ausgewaschen. Und aus dem anfänglichen Gelbgrün entwickelt sich, sowie es mit der Luft in Berührung kommt, ein – im Gegensatz zu industriell hergestelltem Indigo – lichtechtes Blau. Je häufiger man den Färbevorgang wiederholt, desto intensiver wird die Farbe.

Das eindrückliche Verfahren demonstriert der in Mali geborene, heute in Paris lebende Aboubakar Fofana in einem kleinen Raum in der Nähe des Benaki-Museums. Nur wenige Meter von der viel befahrenen Ausfallstraße nach Piräus entfernt, doch ohne App nicht zu finden, stehen die Indigoküpen im Erdgeschoss Fylasion 42 und der Künstler den wenigen Besuchern für Auskünfte zur Verfügung. Blau gilt nicht nur in Mali als heilige Farbe. Dank seiner antibakteriellen, entzündungshemmenden Wirkung beispielsweise. Auch die Tuareg, ein in den Ländern Mali, Algerien, Libyen und Niger hauptsächlich nomadisch lebendes Berbervolk, tragen, um sich in der Wüste vor Sonne zu schützen, Gewänder in Indigoblau. Allerdings bauen sie in der Regel die Pflanzen nicht an und färben nicht selber. Dies ist zeitaufwendig, vergleichbar der mehrstufigen Teigführung gesäuerter Brote, und damit sesshaften Populationen vorbehalten.

Migration spielt im Werk von Fofana eine nicht unerhebliche Rolle. Das Pendant zu der Färberstube findet sich auf dem beidseits der Ieda Odos weiter stadtauswärts gelegenen Gelände der Landwirtschaftlichen Universität Athens. Links der Straße werden Pflanzen angebaut, rechts davon Tiere gehalten. Hier stehen die Schafe, die Fofana indigoblau färben wird. Eine Herde aus 54 Jungtieren, stellvertretend für die 54 Staaten Afrikas. Statt mit tierischer Wolle, will Fofana im Freilandversuch mit komplexen Organismen experimentieren. Schafe ziehen dorthin, wo es etwas zu fressen gibt. Und so sollen ab Ende April 54 blaue Schafe unter Obstbäumen grasen, ein poetisches Bild für den Exodus aus Afrika, das sich angesichts dreier erst partiell eingefärbter Lämmer am zweiten Tag der documenta 14 aber noch nicht recht einstellen will.

 

Ka touba Farafina yé (Afrika-Segen, 2017)
54 Lämmer, der afrikanische Kontinent, Indigo, Weideland, Menschen
Landwirtschaftliche Universität Athen, Athen

documenta 14, Learning from Athens