Kreuzberger Salon 36 | Kleine Transformation

IMG_2996Kleine Transformation
Exkurs

In den letzten Jahren wurden am Südhang des Baruther Mühlenbergs fast 5000 Rebstöcke gepflanzt. Die Initiative ging aus von einer Gruppe, die sich unter dem programmatischen Namen Institut zur Entwicklung des ländlichen KulturRaums e.V. zusammengefunden hatte.
Die Reben stehen in einer abwechslungsreichen und aufgelockerten Weinbergslandschaft, die von Einzelbäumen, Baumgruppen und Findlingen durchsetzt ist. Im Osten und Süden ist sie gerahmt von einem märkischen Kiefernforst, im Norden durch eine alte Fliederhecke, einen neu angelegten Heckenstreifen und junge Obstbäume. Im Westen steht eine Reihe alter Obstbäume. Dahinter schließt sich ein dichter Gebüschstreifen an. Feldsteinhaufen für Eidechsen sowie Kästen für Vögel, Fledermäuse und Insekten fördern die Artenvielfalt auf dem Weinberg.

Am Baruther Mühlenberg wurde jahrhundertelang mit Windenergie lokal gewirtschaftet. Weinanbau, wie er in Brandenburg seit dem Mittelalter und auch in Baruth betrieben wurde, ist im 19. Jahrhundert nach der Entstehung eines gemeinsamen deutschen Marktes nicht mehr wirtschaftlich gewesen. Er wurde nach und nach aufgegeben. Dieser Prozess setzt sich heute in anderen Teilen Deutschlands durch die Europäisierung und Globalisierung des Marktes weiter fort. Paradoxerweise werden frei gewordene Flächen, die heute EU-weit kontingentiert sind, seit der Wende in Brandenburg wieder in Anspruch genommen. Auf dem Baruther Weinberg wurde eine Fläche rekultiviert, die zuletzt als aufgelassenes Motocross-Gelände brach gelegen hatte: Ein Relikt der Freizeitgestaltung im Zeitalter fossiler Energien ist in ein Stadium der Transformation getreten.

Heute ist der Baruther Weinberg nicht nur ein Ort für den Versuchsanbau neu gezüchteter Rebsorten im Hinblick auf Resistenzen und Klimawandel. Er ist auch ein Labor zur Erprobung von Gemeinsamkeiten jenseits der Trennung von Arbeit und Freizeit, Stadt und Land, Handwerk und Technik. Er ist, im Rückgriff auf die –kultur in der Agrikultur, der Versuch eines nicht-marktlichen Ortes gemeinsamer Arbeit, gemeinsamen Feierns und gemeinsamen Wissensaufbaus.

 

zurück
Kreuzberger Salon 35 | Bewahren durch Aufessen
Kreuzberger Salon 37 | Frei handeln?