Kreuzberger Salon 30 | Bioökonomie

Bioökonomie

Da die nächste »prometheische Erfindung«[1]  – nach der Beherrschung des Feuers und der Konstruktion von Wärmekraftmaschinen – noch auf sich warten lässt, versucht die Bundesregierung auf nationaler Ebene, den Abschied von fossiler Energie mit Brückentechnologien einzuleiten, ohne auf nukleare Energie zurückzugreifen. Bioökonomie ist das Schlüsselwort, das die Abkehr von nicht erneuerbaren Ressourcen und die Hinwendung zu lebenden Systemen als Vorbild für ein zukunftsfähiges Wirtschaften proklamiert. Im Juli 2013 stellten die Bundesministerinnen Johanna Wanka (Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF) und Ilse Aigner (Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, BMELV) in Berlin die neue Bioökonomie-Strategie[2] vor, die nachwachsende Ressourcen wie Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen und deren Produkte einbezieht.

Der 2009 ministeriell für die Bundesregierung eingerichtete Bioökonomierat definiert Bioökonomie spartenübergreifend wie folgt: »Alle wirtschaftlichen Sektoren und ihre dazugehörigen Dienstleistungen, die biologische Ressourcen produzieren, be- und verarbeiten oder in irgendeiner Form nutzen.«[3]

International spricht man von den 4 F – Feed, Food, Fibre and Fuel –, womit die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung (Nahrungs- und Futtermittel), Rohstoff- und Energiebedarf für industrielle Nutzung sowie eine zukunftsfähige Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie gemeint sind. Beantwortet wird das, zumindest in Deutschland, mit den 3 K – Kaskaden- und Koppelnutzung, bestenfalls Kreislaufwirtschaft. Der Klimawandel werde durch die konsequente Umstellung auf nachwachsende, also nachhaltige Brennstoffe gleichsam in Schach gehalten. Diese Substitutionsprozesse können, so heißt es, ohne Verzicht ablaufen; sie sollen einhergehen mit wirtschaftlichem Wachstum zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und Aufrechterhaltung der Technologieführerschaft Deutschlands.

Kritisch betrachtet ist diese Strategie mit einer hohen Hypothek auf zukünftig ausstehende Innovationen belastet, der man mit einer umfangreichen Förderstrategie für Forschung und Entwicklung begegnen will. Keineswegs ausgemacht ist es nämlich, dass nach zweihundertjährigem verschwenderischem Umgang mit fossilen Energien und der sie begleitenden gesellschaftlichen Freiheit die nun anstehende »Rückkehr zur Fläche«[4]  – letztlich also ein zweites, technologisches Solarenergieregime – einen Anschluss auf dem bestehenden Niveau erlaubt. Nichtsdestotrotz wird damit eine hypercartesianische, industrialisierte Bewirtschaftung von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen eingeleitet und eine bislang unerreichte Optimierung und Ausbeutung von Natur respektive »Biomasse« als Ausweichen vor gesellschaftlich nicht angegangenen Fragen angestrebt.

 


[1] »Immer wenn der spezifische ›Treibstoff‹ einer lebensfähigen Technologie allmählich erschöpft ist – wie es jetzt bei der gegenwärtigen Technologie der Fall ist – hängt die exosomatische Zukunft der Menschheit in der Tat davon ab, ob rechtzeitig eine neue prometheische Erfindung gemacht wird.« Nicholas Georgescu-Roegen, The Entropy Law and the Economic Process in Retrospect, Schriftenreihe des IÖW 5/87 (deutsche Erstübersetzung), S. 20.
[2] Online abrufbar unter: http://www.bmelv.de/SharedDocs/Downloads/Broschueren/BioOekonomiestrategie.pdf?__blob=publicationFile
[3] Bioökonomierat, Innovation Bioökonomie. Gutachten des BioÖkonomieRats, 2010, S. 10.
[4] »Naturparks werden verschwinden«. Rolf Peter Sieferle im Gespräch mit Jan Grossarth, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30. Juli 2013.

 

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