Kreuzberger Salon 2 | Wiederkehr der Fläche

Wiederkehr der Fläche

Nach dem »Ende der Fläche«, eine These, die der Historiker Rolf Peter Sieferle in Bezug auf den Übergang von der flächenabhängigen Energiegewinnung der vorindustriellen agrikulturellen Gesellschaft zum Zeitalter fossiler Energienutzung aufgestellt hat, erlebt Fläche angesichts der Diskussion um Nahrungsmittelversorgung und Gewinnung erneuerbarer Energien heute eine Renaissance.

Weltweit sichern sich aufstrebende Staaten (China, Indien, Brasilien etc.) Agrarflächen jenseits ihrer nationalen Grenzen, vorzugsweise in Afrika. Aber auch in Ostdeutschland geraten die großen, landwirtschaftlich nutzbaren Flächen derzeit ins Zentrum konkurrierender Interessen. Da viele der Pachtverträge mit der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung auslaufen, muss über deren Verlängerung resp. den Verkauf neu entschieden werden.[1] Die BVVG drängt auf Verkauf, um Geld in die Staatskasse zu holen[2], ist allerdings gehalten, den ostdeutschen Bodenmarkt durch eine kontrollierte Verkaufspolitik (Verstetigung) nicht zu überfordern. Eigentum vor Besitz bestimmt nach wie vor die Vergabepolitik der BVVG. Dies gilt auch nach der kürzlichen Verabschiedung des Flächenerwerbsänderungsgesetzes, das eine – auch finanzielle – Bevorzugung der durch die Bodenreform enteigneten Grundbesitzer zementiert.[3] Ostdeutsche Betriebe hingegen können sich bei seit Jahren steigenden Bodenpreisen und angesichts finanzstarker Mitbewerber wie Rohstoff- und Bodenfonds den Erwerb der von ihnen bewirtschafteten Flächen kaum mehr leisten.

Die Verteilung des Besitzes und der Umfang der Flächen in den neuen Ländern begünstigen eine großmaßstäbliche agroindustrielle Nutzung. In Konkurrenz zum Getreide- und Futtermittelanbau tritt zunehmend der dank Subventionen (Erneuerbare-Energien-Gesetz) lukrativ gewordene Anbau von Energiepflanzen wie etwa Mais für die Biogasproduktion. Die Monotonisierung der Landschaft ist die offensichtliche Begleiterscheinung einer monokulturellen Landwirtschaft; weniger sichtbar, dafür mittelfristig umso gefährlicher ist die Erschöpfung des Bodens.

»In der neuen Landschaft wird daher nicht nur der zivilisatorische Gegensatz von Stadt und Land, sondern auch der ökologische Gegensatz von Industriegebiet und Naturraum eingeebnet. Es wird ein neuer homogener Landschaftstypus geschaffen, den man auch als suburbanisierte Landschaft bezeichnen könnte, in welcher Reste der Kulturlandschaft nur noch in künstlichen Reservaten überleben. Der Übergang zur totalen Landschaft ist daher mit einer räumlichen Entdifferenzierung, mit einer Verödung und Vereinheitlichung verbunden. Es handelt sich um eine Zunahme nicht nur ästhetischer, sondern auch ökologischer Entropie.«[4]

 


[1] »Die langfristig abgeschlossenen Pachtverträge laufen ab dem Jahr 2010 verstärkt aus, dabei im Jahr 2011 ca. 25 % der Verträge mit ca. 143.000 ha.« Vgl. Grundsätze für die weitere Privatisierung der landwirtschaftlichen Flächen der BVVG. http://bvvg.de/INTERNET/internet.nsf/HTMLST/GRUNDSAETZE (Stand: 26.12.2010).
[2] »Nach dem durch den Einigungsvertrag in bundesdeutsches Recht übernommenen Treuhandgesetz besteht ein gesetzlicher Auftrag zur Privatisierung des volkseigenen Vermögens in der Land- und Forstwirtschaft.« Ebd.
[3] Vgl. dazu Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz – EALG sowie das am 17.12.2010 verabschiedete Flächenerwerbsänderungsgesetz, dazu:  http://www.proplanta.de/Agrar-Nachrichten/Agrarpolitik/Erwerbsbedingungen-fuer-Alteigentuemer-verbessert_article1292848696.html (Stand: 26.12.2010).
[4] Rolf Peter Sieferle, Rückblick auf die Natur. Eine Geschichte des Menschen und seiner Umwelt, München 1997, S. 208.